«Ich zähle mich nicht zur Elite»

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NZZ Online

Der ehemalige russische Banker Andrei Borodin erklärt seine Sicht der jüngsten Entwicklungen

Das Gespräch führte per Skype Gerald Hosp, MoskauHerr Borodin, Ihr Interview mit einer russischen Zeitung hat für Aufsehen gesorgt. Präsident Medwedew soll demnach über einen Mittelsmann den Verkauf Ihrer Anteile an der Bank Moskwy erzwungen haben. Danach wurde von Moskau ein internationaler Haftbefehl gegen Sie beantragt. Ist das ein Zufall? Nein, ich sehe einen 100%igen Zusammenhang zwischen dem Interview und dem Antrag der russischen Staatsanwaltschaft. Noch zur Interpretation: Ich habe gesagt, dass Herr Jusufow [der angebliche Mittelsmann; Anm. d. Red.] nach eigenen Aussagen von Präsident Med wedew mit diesem Deal beauf tragt und dabei unterstützt worden sei.

Haben Sie auch Beweise? Herr Jusufow könnte den Namen Medwedew nur für seine Zwecke verwendet haben. Zudem widerspricht er Ihrer Darstellung. Ich bin schon seit 20 Jahren im Geschäft in Russland. Ich habe schon viele Leute gesehen, die sich als graue Eminenzen ausgegeben haben. Herr Jusufow ist kein Blender. Ich hörte später von anderen Leuten, dass Herr Jusufow nicht irgendjemand «von der Strasse» sei. Zu dieser Zeit war er überdies Sondergesandter für internationale Energiezusammenarbeit des russischen Präsidenten. Ich habe einen Vorschlag: Wenn sich Herr Jusufow diffamiert fühlt, kann er mich verklagen – nicht aber in Russland. Dann werde ich Beweise liefern. Sie sagten, andere Personen hätten die Beziehung zwischen Jusufow und Medwedew bestätigt. Ich würde diese Leute sehr schädigen, wenn ich ihre Namen nennen würde. Präsident Medwedew geisselt die Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik in Russland. Dies stimmt nicht überein mit dem Bild, das Sie zeichnen. Am Anfang hat es auch nicht in mein Bild gepasst. Es ist aber klar: Präsident Medwedew ist in unrechtmässige Geschäfte involviert. In einem normalen Rechtsstaat würde jetzt eine offizielle Untersuchung beginnen. Sie haben sich früher zurückhaltender geäussert. Liegt dies an Ihrem Asylverfahren in Grossbritannien? Nein, sicher nicht. Ich möchte keinen Kommentar zu meinem Status und zum Aufenthaltsort abgeben. Der Grund ist, dass das russische Unrechtssystem neue Vorwürfe gegen mich und andere erhebt. Diese sind politisch motiviert. Ihnen wird vorgeworfen, dass Sie mit dem früheren Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow eng verbunden waren. Es war ein Verhältnis zwischen einem Bürgermeister und dem CEO einer Bank, an der die Stadt beteiligt ist. Die Bank Moskwy war eine transparente Aktiengesellschaft. Die Beziehungen waren offen, wir haben nichts verschwiegen. Wir waren nicht befreundet. Es war eine Geschäftsverbindung, Sie waren auch nie eine Art Vermögensverwalter von Herrn Luschkow? Nein, überhaupt nicht. Ich war Bankmanager und kein Vermögensverwalter. Sie waren früher der CEO der fünftgrössten russischen Bank. Jetzt müssen Sie sich ausserhalb Russlands aufhalten. Fühlen Sie sich aus der Elite verbannt? Nein. Ich bin sehr skeptisch gegenüber dem Wort Elite. Das Wort gefällt mir nicht. Ich würde mich nicht als Angehöriger der Elite bezeichnen. Das russische Wirtschaftsklima hat sich sehr stark verschlechtert. Egal, ob die Leute kleine oder grosse Geschäfte haben, die meisten fühlen sich ungeschützt. Was ist der Grund für die Verschlechterung des Klimas? Die politische Führung: Es gibt keine Konkurrenz in der Politik, es gibt ein Monopol eines kleinen Klüngels. Wie würden Sie die derzeitige russische Führung beschreiben? Meines Erachtens ist es wie bei einer Freimaurerloge. Zugang zur Loge haben nur Leute, die im KGB gearbeitet haben oder aus St. Petersburg kommen.