Was vor kurzem noch als ausgemacht galt, ist durch die Parlamentswahl am Wochenende zumindest in Zweifel gezogen worden: die Wiederwahl Wladimir Putins als Präsident Russlands. Es wäre das zweite Mal nach den zwei vierjährigen Amtsperioden ab 2000. Die Aussicht auf nochmals acht Jahre unter Präsident Putin stösst, anders als damals, nicht mehr nur auf Freude.
Kritisch ist etwa Andrei Borodin, der frühere Präsident der Bank of Moscow, der sich gezwungen sah, nach London ins Exil zu gehen. «Es wird keine Änderungen am Kurs geben, der seit 2000 gefahren wird», sagt Borodin im Gespräch. Die Macht im Staat «hat eine Gruppe von Leuten, die aus St. Petersburg stammen oder im KGB gedient haben, geführt von Putin». Borodin kennt sich mit dem Geschäftsgebaren in Russland aus und spürte nach eigenen Angaben die Macht des Staats. Er war seit der Gründung 1995 Präsident der Bank of Moscow (BoM) und hielt 20% der Aktien, bis die Bank VTB, die sich zur Mehrheit in Staatsbesitz befindet, zur Übernahme ansetzte. Das begann mit dem Kauf der 46,5%-Beteiligung der Stadt Moskau, nachdem der langjährige Bürgermeister 2010 abgesetzt wurde (vgl. FuW vom 27. August). Mittlerweile kontrolliert VTB 81% der Aktien der BoM. Borodin sagt, er sei zu dem Verkauf seiner Aktien an einen Kreml-Getreuen zu 800 Mio. $ gedrängt worden. Borodin ist überzeugt, dass bei der Übernahme der Staat Regie führte. «Die Übernahme der Bank of Moscow durch VTB wurde auf höchster politischer Ebene entschieden», sagt er, der sich seit letzter Woche mit einem von Moskau beantragten internationalen Haftbefehl konfrontiert sieht. Für ihn ist klar: Der Staat will seinen Einfluss ausdehnen. «In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass der russische Staat die Hebel der Macht in allen Sektoren übernehmen will, auch im Banksektor.» Die grössten Banken werden vom Staat kontrolliert. In der ganzen Geschichte gibt es viele Fragezeichen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der 14-Mrd.-$-Rettung der Bank of Moscow durch den Staat im Sommer. Wie VTB auf Anfrage erklärt, hätten «betrügerische Ausleihungen» der früheren Führung der Bank of Moscow Rückstellungen im Kreditbuch nötig gemacht, die die Kapitalquoten gefährden würden. Den Vorwurf, dass Kredite schlecht oder unrechtmässig waren, weist Borodin zurück. Borodin, der ausgezeichnet Deutsch spricht, will mit seiner öffentlichen Kritik Geschäftsleuten, die in Russland tätig sind, deutlich machen, «dass das Eigentum schlecht geschützt ist». «Als Geschäftsmann in Russland muss man mit dem Gedanken leben, dass jemand sein Geschäft haben möchte, aber nicht den fairen Preis oder gar nichts dafür bezahlt.» CP, London