Im März 1995 gründete die Moskauer Stadtregierung eine Aktiengesellschaft, die anfangs „Moscow Municipal Bank – Bank of Moscow“, später dann nur noch „Bank of Moscow“ genannt wurde. Zunächst hielt die Stadt Moskau 51% am Unternehmen, die übrigen 49% der Aktien waren auf eine Reihe von Kleinaktionären aufgeteilt, von denen keiner mehr als fünf Prozent besaß.
Andrej Borodin wurde zum Präsident des Unternehmens ernannt, das anfangs ein Team von sechs Mitarbeitern beschäftigte und seine Geschäfte von Büros in Kellergeschossen aus führte.
Als 1998 die russische Bankenkrise ausbrach, war die Bank of Moscow aufgrund ihrer konservativen Kreditpolitik und der Unterstützung durch die Stadt Moskau in einer relativ starken Position.
Nach der Krise durchlief die Bank eine bemerkenswerte Expansions- und Erfolgsphase. Sie entwickelte sich schnell von einer kleinen lokalen Moskauer Bank, die von der Moskauer Stadtregierung kontrolliert wurde und sich weitestgehend um die Gehälter der Mitglieder der Stadtregierung sowie die Stadtkasse von Moskau kümmerte, zu einem bedeutenden unabhängigen Finanzinstitut, das seinen zahlreichen Geschäfts- und Privatkunden das gesamte Spektrum an Bankdienstleistungen anbieten kann.
Zwischen 1999 und 2004 verwendeten Andrej Borodin und ein Co-Investor, Lew Alalujew, Gewinne aus separaten Privatinvestitionen, um für ca. 150 Millionen US-Dollar Anteile an der Bank in Höhe von 20,3% zu erwerben. Der Erwerb dieser Beteiligung wurde von der russischen Zentralbank genehmigt. Darüber hinaus stimmte die Zentralbank am 29. Januar 2009 schriftlich zu, diese Beteiligung nach und nach auf 25% zu erhöhen.
Zwischen 1996 und 2003 stieg die Bank of Moscow in der Liste der erfolgreichsten russischen Banken von Platz 47 auf Platz 8. Das Magazin Euromoney zeichnete die Bank of Moscow 2000 als die „beste Bank Russlands“ aus. Darüber hinaus erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen anerkannter Fachzeitschriften und Finanzagenturen. Unter der Leitung von Andrej Borodin war die Bank of Moscow ab 2007 eine der wenigen Banken in Russland, die über ein Investment Grade Rating verfügten. Allein der Markenwert der Bank ist auf über 800 Millionen US-Dollar geschätzt worden.
Seit 2004 hat die Bank of Moscow ihre Geschäftsberichte gemäß den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen veröffentlicht. Zudem wird ihre Kreditwürdigkeit von internationalen Ratingagenturen bewertet. Moody’s beurteilte die langfristige internationale Bonität der Bank mit Ba2.
Die Beziehung zur Stadt Moskau
Als die Bank immer größer wurde, hat sich ihre Beziehung zur Moskauer Stadtregierung völlig verändert.
Aufgrund ihrer internationalen Präsenz und ihres wachsenden Kundenstamms nahm die Abhängigkeit der Bank von Geschäften der Stadt Moskau immer mehr ab. Die Entwicklung ging schließlich dahin, dass sich die Stadtregierung als ehemaliger Hauptkunde der Bank nur noch zu einem von mehreren Großkunden entwickelte.
Auch die direkte kommerzielle Beteiligung der Stadt Moskau an der Bank ging zurück. Infolge der Kapitalerhöhung der Bank of Moscow verringerte sich die Beteiligung der Moskauer Stadtregierung 2008 von 51% auf 46,6%, während die Anzahl der Vertreter der Moskauer Stadtregierung im Vorstand der Bank von neun auf sieben (von insgesamt 13) Mitglieder reduziert wurde. Darüber hinaus wurden der Leitung der Bank weitreichende zusätzliche Befugnisse übertragen, um ihre größere Verantwortung und Unabhängigkeit widerzuspiegeln.
Kurzum: Obwohl die Bank weiterhin eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung zu ihrem bedeutenden Aktionär pflegte, war sie nun im Wesentlichen von der Moskauer Stadtregierung unabhängig.
Die Beziehung zu internationalen Banken
In der Phase des schnellen Wachstums entwickelte die Bank of Moscow
Beziehungen zu einer Vielzahl von internationalen Banken, darunter auch
JPMorganChase, Deutsche Bank, Commerzbank, Goldman Sachs, Credit Suisse
und Barclays Capital.
Im August 2006 wurde J. P. Morgan International Finance Limited, eine
Tochtergesellschaft von JPMorganChase, Minderheitsaktionär der Bank of
Moscow. Im Jahr 2010 erwarben Goldman Sachs und die Credit Suisse Group
AG jeweils eine Beteiligung in Höhe von 3,88 Prozent bzw. 2,77 Prozent
an der Bank of Moscow.
Die Übernahme der Bank of Moscow
Aufgrund ihrer disziplinierten, unabhängigen und geschäftsorientierten Unternehmensstrategie hatte sich die Bank of Moscow zu einer international anerkannten und erfolgreichen Bank entwickelt. Jedoch wurde die Leitung der Bank 2010 zu ihrem Leidwesen immer mehr in Kontroversen verwickelt.
Eine Umorientierung auf höchster politischer Ebene führte zur Ablösung des langjährigen Moskauer Bürgermeisters durch einen neuen Kandidaten. Durch diese Veränderung in der politischen Landschaft war es nun für Außenseiter möglich, auf die bisherigen Kontrollverhältnisse der Bank Einfluss zu nehmen und deren Unabhängigkeit in der Durchführung ihrer Geschäftstätigkeiten effektiv zu schmälern.
So schien die Moskauer Stadtregierung unter ihrem neuen Bürgermeister nicht mehr mit der bedeutenden, jedoch nicht mehrheitlichen Beteiligung der Stadt an der Bank of Moscow zufrieden zu sein. Darüber hinaus äußerte auch die VTB, eine zweitrangige russische Staatsbank, ihr Interesse an einer Kontrolle der Bank.
Für viele in und außerhalb Russlands waren diese Entwicklungen überraschend. Das Interesse schien nicht auf kommerziellen Beweggründen zu beruhen und ergab, von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, keinen wirklichen Sinn. So gab es zum Beispiel zwischen der VTB und der Bank of Moscow aus objektiver kommerzieller Sicht kaum Synergieeffekte. Andrej Borodins klare Strategie und Vision machte für die zunehmend unabhängige und erfolgreiche Bank keine Einflussnahme von außen nötig.
Aus diesen Gründen sprach sich Andrej Borodin öffentlich dagegen aus, dass eine der beiden interessierten Parteien eine Mehrheitsbeteiligung an der Bank of Moscow erwerben sollte, wodurch die Bank ihre Unabhängigkeit verlieren würde.
Es stellte sich letztendlich heraus, dass die VTB hier besser positioniert war. So leitete sie die Übernahme einer Beteiligung von 46,6% an der Bank of Moscow der Stadt Moskau ein. Nachdem die VTB zunächst angekündigt hatte, 100% der Aktien der Bank of Moscow erwerben zu wollen, entschloss sie sich schließlichaus finanziellen Gründen einen anderen Weg einzuschlagen. So bestand die neue Vorgehensweise darin, die übrigen Aktionäre der Bank of Moscow dazu zu bringen, Ihre Stimmrechte im Sinne der VTB auszuüben. So hätte die VTB Kontrolle über die Bank erlangen können, ohne die Minderheitsaktionären auszuzahlen.
Die Pläne der Staatsbank VTB konnten jedoch so lange nicht umgesetzt werden, wie Andrej Borodin in seiner Rolle als Präsident und als einer der Hauptaktionäre gegen die Kontrolle der Bank of Moscow durch die VTB Widerstand leistenkonnte.
Was danach geschah, kam für die Leitung der Bank of Moscow sehr überraschend. Im Dezember 2010 wurden Nachforschungen zu einem Darlehen eingeleitet, das an einen Kunden der Bank, eine Entwicklungsgesellschaft namens Premier Estate Company, vergeben worden war.
Es ist zwar bei jedem Darlehen von Natur aus ein gewisses Risiko gegeben, jedoch war die besagte Vereinbarung, nachdem alle erforderlichen Verfahren zur Risikobewertung eingehalten worden waren, vom Kreditausschuss der Bank genehmigt worden. Das Risikomanagementteam der Bank hatte ebenfalls eine befürwortende Stellungnahme abgegeben.
Etwa zur gleichen Zeit kündigte die Rechnungskammer der Russischen Föderation an, dass sie auf Antrag des neuen Bürgermeisters von Moskau eine Wirtschaftsprüfung der Bank of Moscow einleiten werde. Dieser unerwartete Schritt wurde von vielen als äußerst ungewöhnlich eingestuft, da ein derartiges Vorgehen in keinster Weise in den Aufgabenbereich der Kammer fiel.
Am 27. Februar 2011 verkaufte die Moskauer Regierung schließlich ihre Beteiligung an der Bank of Moscow in Höhe von 46,6% für 103 Milliarden Rubel an die VTB. Durch den Verkauf wurde aus den 30 Milliarden Rubel, die die Stadt Moskau in den vergangenen 16 Jahren investiert hatte, ein beachtlicher Gewinn erzielt. Es handelte sich hierbei um eines der wenige Male in der Geschichte der russischen Wirtschaft, dass der Staat von einer Investition in ein Wirtschaftsunternehmen profitierte.
Durch den Verkauf wurde jedoch eine Reihe von Fragen aufgeworfen:
- Der Verkauf fand statt, ohne der Ausschreibungspflicht nachzukommen. Dies wirft Frage in Bezug auf das in der Russischen Föderation geltenden Privatisierungsgesetz auf, da es keiner anderen Organisation möglich war, die Aktien zu erwerben.
- Aufgrund der Tatsache, dass sich die VTB zu 75% in der Hand des russischen Staates befindet, hätte sie sich wohl besser nicht als Käufer an einem Privatisierungsvorhaben beteiligen sollen.
- Es war äußerst ungewöhnlich, dass die VTB den Minderheitsaktionären kein Übernahmeangebot machte, um deren Anteile an der Bank zu erwerben – ein solches Übernahmeangebot wäre nach dem Aktiengesetz zwingend erforderlich gewesen.
- Hätte die VTB ein derartiges Übernahmeangebot durchgeführt und alle Aktien der Bank of Moscow gekauft, so wäre die VTB nach dem in der Russischen Föderation geltenden Gesetz über Banken und Bankgeschäfte für zahlungsunfähig erklärt worden, da ihre Eigenkapitalquote dadurch auf 8% gefallen wäre und somit nicht der vorgeschriebenen Mindestquote von 10% entsprochen hätte.
Nach der fragwürdigen Übernahme durch die VTB wurde die Leitung der Bank of Moscow mit Erfahrung auf internationaler Ebene, darunter auch deren Präsident Andrej Borodin, durch Personen ersetzt, die scheinbar sowohl der Leitung der russischen Staatsbank VTB als auch der Moskauer Regierung nahestanden. Der Vorsitzende der VTB, Andrej Kostin, wurde zum Vorstandsvorsitzenden der Bank ernannt und dessen erster Stellvertreter, Michail Kusowlew, zum Präsidenten der Bank.
Zeitlicher Ablauf
1995: Die Moskauer Stadtregierung gründet die „Moscow Municipal Bank – Bank of Moscow“.
2005-2008:
- Der Ausbau der Geschäfte der Bank of Moscow schreitet schnell voran. Ihre Beziehung zur Stadt Moskau verändert sich und spiegelt so die zunehmend unabhängigen Vereinbarungen hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse und Leitung der Bank of Moscow wider.
- Der Leitung der Bank werden weitreichende zusätzliche Befugnisse übertragen.
2006: Aufgrund einer Änderung des Bankengesetzes müssen alle Aktionäre von Finanzinstituten Informationen zu ihren Beteiligungen an derartigen Instituten offenlegen.
August 2006: J. P. Morgan International Finance Limited, eine Tochtergesellschaft von JPMorganChase, wird Minderheitsaktionär der Bank of Moscow.
2008:
- Die Beteiligung der Moskauer Stadtregierung an der Bank of Moscow wird auf 46,6% reduziert.
- Die Anzahl der Vertreter der Moskauer Stadtregierung im Vorstand der Bank wird von neun auf sieben (von insgesamt 13) Mitglieder reduziert.
Anfang 2010: Goldman Sachs und die Credit Suisse Group AG erwerben jeweils eine Beteiligung in Höhe von 3,88 Prozent bzw. 2,77 Prozent an der Bank of Moscow.
September 2010: Eine Umorientierung auf höchster politischer Ebene führt zur Ablösung des langjährigen Moskauer Bürgermeisters.
Dezember 2010: Die Prüfung eines Darlehens wird eingeleitet, das an einen Kunden der Bank, eine Entwicklungsgesellschaft namens Premier Estate Company, vergeben worden war. Zudem kündigt die Rechnungskammer der Russischen Föderation an, dass sie auf Antrag des neuen Moskauer Bürgermeisters eine Wirtschaftsprüfung der Bank of Moscow einleitet.
27. Februar 2011: Die Moskauer Regierung verkauft ihre Beteiligung an der Bank of Moscow in Höhe von 46,6% an die russische Staatsbank VTB, was eine Reihe von Fragen aufwirft.
Wichtige Fakten
Die Bank of Moscow ist nach Vermögenswerten und Kapital Russlands fünftgrößte Bank. Sie wurde 1995 gegründet und beschäftigt mehr als 9.000 Mitarbeiter.
Die Bank hat in Russland 381 Filialen und deckt damit praktisch alle wichtigen Wirtschaftszentren ab.
Sie stellt ihre Finanzdienstleistungen mehr als 100.000 Geschäftskunden sowie mehr als neun Millionen Privatkunden zur Verfügung.
Die Bank of Moscow hat fünf ausländische Tochtergesellschaften:
- BM Bank (Ukraine)
- Bank Moscow-Minsk (Weißrussland)
- AS Latvijas Biznesa Banka (Lettland)
- AS Eesti Krediidipank (Estland)
- Bank of Moscow – Belgrad (Serbien)
Darüber hinaus hat die Bank eine Repräsentanz in Frankfurt am Main, Deutschland.